Das Ungleichheitsbarometer

Das Ungleichheitsbarometer ist eine repräsentative Online-Befragung, die 2020 das erste Mal in Deutschland durchgeführt wurde. Das Barometer erhebt die individuellen Wahrnehmungen unterschiedlicher Aspekte von Ungleichheit und sozialer Mobilität. Außerdem erfragt es auch die Einstellungen zu unterschiedlichen Maßnahmen und Reformvorschlägen, die mit Ungleichheit zu tun haben. Die Befragung besteht aus einem Kernmodul an Fragen, die in zukünftigen Befragungswellen wiederholt gestellt werden, sowie aus einigen zusätzlichen Modulen, deren Fokus sich über die Wellen unterscheidet. 
 

Erste Befragungswelle

Die erste Welle der Befragung wurde im September 2020 durchgeführt. Insgesamt wurden 6.000 erwachsene Personen mit Wohnsitz in Deutschland befragt. Die Ergebnisse wurden publiziert und fanden breites Echo:

Luna Bellani, Nona Bledow, Marius R. Busemeyer, Guido Schwerdt (2021): Wenn alle Teil der Mittelschicht sein
wollen: (Fehl-)Wahrnehmungen von Ungleichheit und warum sie für Sozialpolitik wichtig sind.

Policy Paper 06: Ungleichheitsbarometer – Ungleichheit und soziale Mobilität. 26. Mai 2021.

Abstract:
Für eine Politik, die auf Wohlstand und soziale Mobilität abzielt, stellt die bestehende soziale und wirtschaftliche Ungleichheit eine anhaltende Herausforderung dar. Dabei wird Ungleichheit in der deutschen Bevölkerung vielfach falsch wahrgenommen: Sie wird zwar durchaus als Problem betrachtet; ihr Ausmaß wird aber in wichtigen Aspekten unterschätzt, wie dieses Papier anhand von Befragungsdaten zeigt. Dabei unterstützen große Teile der Bevölkerung eine egalitärere Gesellschaft.

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Zweite Befragungswelle:

Die zweite Erhebungswelle wurde im September 2021 durchgeführt. Es handelte sich um eine kleinere Folgewelle mit 3 000 Befragten aus der ersten Welle. In dieser Erhebung wurden Elemente aus dem Kernbereich zusammen mit zwei weiteren inhaltlichen Modulen wiederholt. Die Arbeitspapiere zu den Ergebnissen dieser Welle sind in Arbeit.

Die dritte Erhebungswelle wird derzeit durchgeführt (November 2022). Es handelt sich um eine große Welle mit 6.000 neuen Befragten und 20 Minuten Befragungszeit. Wir streben an, dass die Feldphase vor Mitte Dezember abgeschlossen sein wird.

Befunde

Einige zentrale Befunde aus den bisherigen Befragungsergebnissen finden sie hier:

(Fehl-)wahrnehmung der eigenen relativen Einkommensposition

In der Selbstpositionierung auf der Einkommensverteilung, dargestellt als Leiter mit 10 Sprossen, neigten die Befragten dazu, sich im Bereich der mittleren Stufen zu platzieren; auch wenn sie eigentlich wesentlich ärmer oder reicher als der Durchschnitt sind. 

Erläuterung: Die linke Abbildung zeigt die tatsächliche Position auf der Einkommensleiter in unserer Stichprobe; die rechte Abbildung zeigt, wo sich Menschen mit unterschiedlichem Einkommen tendenziell einordnen. Die Zahlen auf den Verbindungslinien geben an, um wie viele Dezile (10-Prozent-Intervalle) sich die Befragten bei der Einschätzung ihrer eigenen relativen Position irren.


Wahrnehmungen von Verteilungsmustern in der Gesellschaft

Befragte wurden gebeten, aus den fünf dargestellten Gesellschaftstypen den auszuwählen, der die Gesellschaft in Deutschland am besten repräsentiert:


Das bestehende Verteilungsmuster wird als recht ungleich wahrgenommen. Über 50 Prozent der Befragten wählten Gesellschaftstypen aus, in denen die unteren Einkommensgruppen die zahlenmäßig stärksten sind (Typ A oder B).

Wurden sie nach ihren Idealvorstellungen gefragt, wie die Einkommensverteilung aussehen sollte, wählten die Befragten überwiegend Verteilungsmuster mit geringerer Ungleichheit aus (Typ D oder E).


Wahrnehmungen sozialer Mobilität

Verschiedene Gruppen von Befragten nehmen die Mobilitätschancen von Kindern aus der untersten Einkommensgruppe (untere 20 %) unterschiedlich wahr: Befragte mit geringerem Einkommen oder niedrigerem Bildungsniveau sind optimistischer. Sie schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder aus der untersten Einkommensgruppe sich im Erwachsenenalter in der höchsten Einkommensgruppe wiederfinden, als höher ein. Gleichzeitig halten sie es für weniger wahrscheinlich als andere Befragte, dass diese Kinder in der untersten Einkommensgruppe bleiben.

Erklärung: die Grafik zeigt durchschnittliche Antworten auf die Frage: „Welcher Prozentsatz der Kinder aus der untersten Einkommensgruppe wird als Erwachsene...“

  • „...zur untersten Einkommensgruppe (untere 20 Prozent) gehören?“
  • „...zur mittleren Einkommensgruppe (mittlere 20 Prozent) gehören?“
  • „...zur obersten Einkommensgruppe (obere 20 Prozent) gehören?“

Die Antworten wurden nach dem Bildungsniveau (oberes Diagramm) bzw. dem Einkommensstatus (unteres Diagramm) der Befragten sortiert.


Unterschiede in den Wahrnehmungen von Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität nach Regionen

Die Wahrnehmungen von Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität variieren zwischen den Regionen. Gebiete in dunkler Schattierung repräsentieren mittelgroße Regionen (NUTS-2 in der vereinheitlichten amtlichen EU-Systematik), in denen viele Menschen die Einkommensungleichheit als zu hoch empfinden (linke Karte), sowie Regionen, in denen Mobilitätschancen als vergleichsweise gering eingeschätzt werden (rechte Karte).

Die regionalen Unterschiede der Wahrnehmungen sind nicht stark korreliert. Befragte in Ostdeutschland nehmen Einkommensungleichheit als problematischer war. In den Wahrnehmungen von Mobilitätchancen ist kein klarer Ost-West Unterschied zu erkennen.­