Die Wahrnehmung von Ungleichheit und Fairness unter Schülerinnen und Schülern (PerFair)

Projektbeschreibung

Ziele und zentrale Forschungsfragen:

Wir wollen beschreiben und erklären, wie sich Wahrnehmungen von Ungleichheit und Fairness unter Kindern und Jugendlichen entwickeln, und die Folgen dieser Wahrnehmungen auf bildungsbezogene und politische Einstellungen und Verhalten analysieren. Dazu bündeln wir Expertise aus Politikwissenschaft, Soziologie, Linguistik, Erziehungswissenschaften und Psychologie. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Zusammenspiel unterschiedlicher Erklärungsfaktoren: individuelle Merkmale wie der sozioökonomische Hintergrund der Jugendlichen und ihre kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten; der soziale Einfluss von Eltern, Lehrkräften und Gleichaltrigen; und die Bedeutung des institutionellen und regionalen Kontextes, zum Beispiel Merkmale der Schule und der Wohngegend.

Hintergrund:

Die meisten bisherigen Studien zur Wahrnehmung von Ungleichheit und Fairness beschäftigen sich mit Erwachsenen, nicht mit Schülerinnen und Schülern. Außerdem stammen die vorhandenen Erkenntnisse zu Jugendlichen aus der entwicklungspsychologischen Forschung, die sich vor allem damit beschäftigt, wie sich diese Wahrnehmungen verändern, wenn die Kinder älter werden. Die soziologische und psychologische Bildungsforschung hat strukturelle Ungleichheiten im Bildungssystem umfassend untersucht. Sie hat sich jedoch für die Wahrnehmungen und Bewertungen der Schulkinder selbst nicht sonderlich interessiert. Dabei ist davon auszugehen, dass diese einen Einfluss auf Motivation und Zielsetzungen der jungen Menschen im Bildungssystem und darüber hinaus haben. Die Politikwissenschaft hat erst kürzlich die Bedeutung von Ungleichheitswahrnehmungen – über objektive Ungleichheiten hinaus – für die politische Beteiligung entdeckt. Bislang hat sie sich auf die Wahrnehmungen von Erwachsenen konzentriert. Wir gehen über diese disziplinären Beschränkungen hinaus, indem wir beschreiben und erklären, wie Schülerinnen und Schüler Fairness und Ungleichheiten in Bildung und Politik wahrnehmen und welche bildungsbezogenen und politischen Konsequenzen dies hat. Geplant ist die Befragung einer großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichem familiärem Hintergrund und in unterschiedlichen institutionellen und regionalen Kontexten.

Methode:

Wir führen eine Panelstudie in zwei Bundesländern mit jüngeren und älteren Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen durch. Mit dieser Methode können wir untersuchen, wie sich die Wahrnehmung von Ungleichheit und Fairness von Kontext zu Kontext unterscheidet und über die Zeit hinweg verändert. Zur validen Messung der Ungleichheitswahrnehmungen der Jugendlichen enthält die Panelstudie einige Befragungsexperimente (Vignetten). In diesen Vignetten werden den Testpersonen fiktive Schülerinnen und Schüler präsentiert, die sich im Hinblick auf ungleichheitsrelevante Attribute wie Freizeitaktivitäten, Ethnizität oder Beruf der Eltern systematisch unterscheiden. Insgesamt planen wir eine Befragung von bis zu 330 Schulklassen mit insgesamt etwa 3000 Jugendlichen, deren Eltern und Lehrkräften.

Beteiligte Fachrichtungen

Politikwissenschaft, Soziologie, Linguistik, Bildungsforschung, Psychologie

Aktiv seit

1. Oktober 2019

Literature

Further Reading

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