„Ethnische Politik“ – Ein Mittel gegen Ungleichheiten zwischen Gruppen? Die Sámi in Norwegen und Schweden

Projektbeschreibung

Ziele und zentrale Forschungsfragen:

Wir untersuchen spezifische ethnisch bestimmte Politik gegenüber dem Volk der Sámi in Norwegen und Schweden und betrachten dabei die Themen Anerkennung und Selbstverwaltung, Landnutzung und Rentierhaltung sowie Sprache und Bildung. Unser Hauptinteresse gilt den Folgen einer solchen Politik für strukturelle und subjektiv wahrgenommene Ungleichheiten und ihren Auswirkungen auf sozioökonomische Ungleichheiten, Sprachkompetenz und empfundene Diskriminierung unter den Sámi. Finden sich nach einer langen Phase der Assimilationspolitik noch immer Anzeichen für strukturelle und wahrgenommene Ungleichheiten und Diskriminierung? Was hat der unterschiedliche politische Umgang mit den Sámi in Norwegen und Schweden in jüngerer Zeit bewirkt?

Hintergrund:

Die Sámi sind ein indigenes arktisches Volk und besiedeln das Sápmi-Gebiet im nördlichen Teil der fennoskandischen Halbinsel. In größerer Zahl leben sie jedoch nur in Norwegen und Schweden. Nach einer langen Geschichte der Diskriminierung und Assimilationspolitik erhielten die Sámi seit den 1950er Jahren Anerkennung und Autonomie; ihre Sprache wurde in den 1970er Jahren als Schulfach etabliert. Seit den 1980er Jahren haben sich die formale Organisation, die politischen Rechte und die Sozial-, Wirtschafts-, Sprach- und Bildungspolitik gegenüber den Sámi in Norwegen und Schweden unterschiedlich entwickelt. Norwegen wird dabei gemeinhin attestiert, den Sámi ein günstigeres politisch-rechtliches Umfeld zu bieten als Schweden.

Methoden:

Unsere Forschung basiert auf Befragungen in mehreren Gemeinden im Norden Norwegens und Schwedens, in denen ein signifikanter Anteil der Bevölkerung den Sámi angehört. Anhaltspunkte hierfür liefert die Anzahl der Personen, die im Wählerverzeichnis des Sámediggi („Sámi Parlament“) registriert sind.

Die Befragung erhebt Informationen zu ethnischer Selbstidentifikation und Familienhintergrund, Diskriminierungserfahrungen, der sozioökonomischen Situation, politischen Einstellungen, soziodemographischen Aspekten, sowie Sprachkenntnissen und –gebrauch.

Der Teil zu politischen Einstellungen und Präferenzen thematisiert die Unterschiede der Sámi Politik in Norwegen und Schweden. Experimentell erfassen wir Wahrnehmungen und Bewertungen von Policies, die die Sámi betreffen. Die Teilnehmenden wählen zwischen zwei Policy-Alternativen, mittels derer exemplarische soziale und politische Kontroversen gelöst werden könnten. Die Policy-Alternativen (reale norwegische, schwedische oder fiktive Policies) werden zufällig aus einem Set verschiedener Möglichkeiten ausgewählt.

Sámi-Politik ist zu einem großen Teil Sprach- und Bildungspolitik, und die Identifikation als Sámi beruht zu einem gewissen Grad auf Sprache. Deshalb erheben wir im linguistischen Teil des Projekts subjektive und objektive Daten zum Sprachgebrauch der indigenen Sprache sowie der Sprache der Mehrheit (Norwegisch/Schwedisch). Für die objektive Datenerhebung haben wir u.a. einen Wortschatztest im Ja/Nein Pseudowort Aufgabenformat entwickelt.

Datenerhebung:

Die Datenerhebung erfolgte in zwei Stufen von April bis August 2021 in Kooperation mit Respons Analyse AS (Norwegen) und Norstat Sverige AB (Schweden). In der ersten Stufe wurden alle erwachsenen Personen mit einer registrierten Telefonnummer in den ausgewählten Gemeinden zu einer ca. siebenminütigen computerunterstützten Telefonbefragung (CATI) eingeladen. In Norwegen nahmen dabei 2396 und in Schweden 3020 Personen teil. Dies entspricht 21,5% (Norwegen), bzw. 48,2% (Schweden) aller Personen, die telefonisch erreicht werden konnten und dem Zielgruppenprofil entsprachen.

Alle Teilnehmenden der Telefonbefragung wurden abschließend zur Teilnahme an der zweiten Stufe eingeladen, welche aus einem umfangreicheren Fragebogen, der entweder online oder auf Papier ausgefüllt werden konnte, bestand. Am Ende des Fragebogens wurde den Antwortenden schließlich die Möglichkeit gegeben, online an der Datenerhebung zum Sprachgebrauch teilzunehmen. An der zweiten Stufe nahmen 21,8% der norwegischen und 30,4% der schwedischen CATI-Teilnehmenden und damit insgesamt 1440 Personen teil.

Der Anteil an Teilnehmenden, die sich nach eigener Auskunft als Sámi identifizieren, betrug in der ersten Stufe 21,9% in Norwegen und 11,6% in Schweden. In der zweiten Stufe lag dieser Wert bei 26,6% (Norwegen), bzw. 11,5% (Schweden).

Beteiligte Fachrichtungen

Politikwissenschaft, Linguistik

Aktiv seit

1. Oktober 2019

Project Partners

Jo Saglie (Institute for Social Research, Oslo)

Jo Saglie has a dr.polit. degree in political science (2000), and has worked at the Institute for Social Research since 1999. He has also been an adjunct researcher at the Sámi University College, Kautokeino, and co-editor of Tidsskrift for samfunnsforskning (Norwegian Journal of Social Research). His main research interests include local elections and local democracy, the Sámi Parliament in Norway and indigenous politics in general, as well as political parties. Find more information about Jo Saglie here.

Norstat Sverige AB

Norstat is a leading European provider of technology-driven data collection methods for analysts, consumer insights and market research. Find more information about Norstat

Respons Analyse AS

Respons Analyse is a full-service consulting analysis agency based in Norway. Find more information about Response Analyse.

Literature

Groundwork

Katharina Holzinger, Roos Haer, Axel Bayer, Daniela Behr und Clara Neupert-Wentz (2018): The Constitutionalization of Indigenous Group Rights, Traditional Political Institutions, and Customary Law, Comparative Political Studies 52(12): 1775-1809

Holzinger, K., Kern F. G., &. Kromrey D. (2016). The dualism of contemporary traditional governance and the state: institutional setups and political consequences. Political Research Quarterly 69(3), 469–481.

Kupisch, T., & Rothman, J. (2018). Terminology matters! Why difference is not incompleteness and how early child bilinguals are heritage speakers. International Journal of Bilingualism (92), 564–582.

Siiner, M., Kupisch, T., & Hult, F. (2018). Language Policy and Language Acquisition Planning. Cham: Springer.