
Gefühlte Ungleichheiten, Gelenkte Diskurse
Wahrnehmung – Wissen – Framing
Gefühlte Ungleichheit kann politisch wichtiger sein als die tatsächlichen Verhältnisse – und bereitet so den Nährboden für Populismus und „alternative Fakten“. Die Ungleichheiten in der Gesellschaft und die Art und Weise, wie sie wahrgenommen werden, weichen teils erheblich voneinander ab. Deshalb ist das Ausmaß und die Entstehungen dieser Wahrnehmungen ein zentraler Gegenstand der Ungleichheitsforschung.
Wahrnehmung

Ungleichheit ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Sie kann aber nur angegangen werden, wenn sie als solche wahrgenommen wird. Nicht jede Form der Ungleichheit wird von den Betroffenen erkannt. Und nicht jede wird, selbst wenn sie allgemein bekannt ist, als kritisch empfunden. Wie groß ist die soziale Ungleichheit in Deutschland eigentlich wirklich? Ist sie aus Sicht des Einzelnen überhaupt ein Problem? Sind etwa die Chancen auf dem Arbeitsmarkt fair verteilt? Wie steht es um gerechte Bildungschancen?
Das Projekt Wahrnehmung von ungleicher Bezahlung nach Geschlecht und Dienstalter (Thomas Hinz, Susanne Strauß, Nick Zubanov) untersucht, wie unterschiedlich ungleiche Gehälter wahrgenommen werden, je nachdem, ob sie auf Unterschieden des Geschlechts oder des Dienstalters beruhen.
Wie die eigenen Bildungschancen und Ungleichheiten im Bildungssystem von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen werden, erforscht das Projekt Die Wahrnehmung von Ungleichheit und Fairness unter Schülern (Marius R. Busemeyer, Claudia Diehl, Axinja Hachfeld, Thomas Hinz, Theodoros Marinis).
Wissen

Politikerinnen und Politiker sind oft keine Fachleute für die Bereiche, in denen sie folgenschwere Entscheidungen treffen müssen. Daher müssen sie sich Spezialwissen aneignen und sich auf möglichst fundierte Expertise stützen. Gleiches gilt auch für andere Akteure im politischen Diskurs, die auf Basis ihres Verständnisses der Wirklichkeit Politikwechsel fordern. Woher haben politische Akteure ihr Wissen? Was blenden sie dabei aus, was steht im Vordergrund? Welche ökonomischen Modelle liegen populären Forderungen beispielsweise nach Umverteilung oder Haushaltsdisziplin implizit zugrunde? Was wissen politische Eliten über gesellschaftliche Ungleichheit, und in welchem Verhältnis steht ihr Wissen zu den Forderungen der Wählerschaft?
Das Projekt Politische Eliten und Ungleichheit (Christian Breunig, Friedrich Breyer, Wolfgang Gaissmaier, Guido Schwerdt) untersucht gezielt, wie gewählte Volksvertreter an Wissen über Ungleichheit gelangen.
In dem Projekt Präferenzen bei der Umverteilung zwischen EU-Mitgliedsstaaten (Thomas Hinz, Dirk Leuffen, Peter Selb) geht es darum, wie Wissen über ökonomische Prozesse in der Bevölkerung verschiedener EU-Staaten zu unterschiedlichen politischen Präferenzen führt.
Framing

Nicht nur für Populisten gilt: Oft ist wichtiger, wie etwas gesagt wird, als was gesagt wird. Die Art und Weise der Präsentation politischer Inhalte in einer Rede, in einem Medienbeitrag oder in sozialen Netzwerken beeinflusst, wie Informationen aufgenommen und in das persönliche Wissen und Weltbild eingepasst werden. Wie funktioniert dieser sogenannte Framing-Effekt? Welche sprachlichen Mittel werden politisch gezielt eingesetzt? Wie werden geframete Informationen aufgenommen? Wie bewirken politische Akteure und die Medien unterschiedliche Wahrnehmungen gesellschaftlicher Ungleichheit? Wie kommunizieren Populisten?
Antworten auf diese Fragen liefert mit den Mitteln der Computerlinguistik das Projekt Framing von Ungleichheiten (Miriam Butt, Regine Eckardt, Katharina Holzinger).
So arbeiten wir an diesen Themen:
Zwei Konstanzer Forschende arbeiten als Mitglieder des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration Jahr für Jahr einen ausführlichen Bericht zu einschlägigen Fragen aus: Cluster-Co-Sprecherin und Soziologin Claudia Diehl und Rechtswissenschaftler Daniel Thym, der zugleich PI in dem im Oktober 2020 startenden Cluster-Projekt „Administrative Inequality: The Case of Foreign Nationals in Germany“ sein wird. Den aktuellen Bericht des Sachverständigenrats finden Sie hier
Ein Interview, in dem die beiden Konstanzer Ko-Autoren wichtige Aspekte des Berichts erklären und diskutieren, findet sich hier