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Mehr Infektionen bei Rückkehr in Präsenzarbeit

Konstanzer Homeoffice-Langzeitstudie betont die Gefahren einer verfrühten Rückkehr in volle Präsenzarbeit in Unternehmen, die auch mobiles Arbeiten oder Homeoffice ermöglichen könnten

Bei vielen Unternehmen sind das Homeoffice und andere mobile Formen des Arbeitens nach beinahe einem Jahr pandemiebedingter Einschränkungen nicht mehr das Mittel der Wahl. Trotz eines in mehreren Stufen verschärften zweiten Lockdowns arbeiten auch jetzt viele Beschäftigte in Vollzeit im Präsenzbetrieb – manche, weil ihr Beruf es nicht anders zulässt, andere dagegen auf Wunsch des Arbeitgebers, der Vorgesetzten oder auch aus eigenem Antrieb. Wie geht es diesen Beschäftigten im Vergleich zu denjenigen, die mobil oder von den eigenen vier Wänden aus arbeiten?

Zur Beantwortung dieser Frage setzte Organisationsforscher Prof. Dr. Florian Kunze (Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“, Universität Konstanz) mit seinen Mitarbeiter*innen Kilian Hampel und Sophia Zimmermann bereits im Frühjahr 2020 eine empirische Längsschnittstudie auf. Sie untersuchten Vorzüge und Nachteile von Homeoffice und Präsenzarbeit und befragten dazu stets dieselben Personen, um die Entwicklung ihrer Situation über die Zeit verfolgen zu können. Die jüngste Befragung Ende Januar 2021 liefert nun Befunde, die auf beträchtliche Gefahren bei der Rückkehr in volle Präsenztätigkeiten hindeuten:

  • Beschäftigte, die durch Präsenzarbeit regelmäßig engen Kontakt mit Kolleg*innen haben, berichten weitaus mehr Infektionen mit dem Coronavirus:

Seit Oktober 2020 haben sich viermal so viele Befragte, deren Arbeitgeber eine geöffnete Kantine bietet, im Vergleich mit Befragten ohne offene Kantine infiziert.

Bei Meetings in physischer Präsenz ist die Infektionszahl unter den Befragten seit Oktober 2020 sogar um den Faktor acht erhöht.

  • Beschäftigte, die im Sommer oder Herbst aus dem Homeoffice in volle Präsenzarbeit zurückgekehrt waren, beklagten bereits leicht höhere emotionale Erschöpfung und sinkende Produktivität. Der Trend verstärkte sich über den Winter noch.
  • Die Rückkehr in Präsenzarbeit erfolgt häufig auf Wunsch der Arbeitgeber oder Vorgesetzten; immerhin 36% der Befragten, die in Präsenz arbeiten, wünschten sich dies aber auch selbst.

Die wichtigsten Ergebnisse haben die Forschenden in einem Factsheet zusammengefasst.

Faktenübersicht:

  • Prof. Dr. Florian Kunze ist Professor für Organisational Studies am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft sowie Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz. Er forscht zu Digitalisierung und neuen Formen der Arbeit, zum demographischen Wandel in öffentlichen und privaten Organisationen und effektivem Führungsverhalten.
  • Kilian Hampel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe für Organisational Studies von Florian Kunze. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die digitale Transformation der Arbeitswelt, Management des demographischen Wandels, Alter(n) am Arbeitsplatz sowie die Einführung von neuen Arbeitsformen.
  • Sophia Zimmermann ist Doktorandin an der Professur für Organisational Studies. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung von Mitarbeiterkompetenzen für den digitalen Wandel und der effektiven Gestaltung von Telearbeit.
  • Die Online-Befragung wurde über das Online-Umfrageinstitut Respondi durchgeführt und umfasste in den ersten Befragungswellen 699 Befragte, die die Erwerbsbevölkerung repräsentativ nach Alter und Geschlecht abbilden. An der jüngsten Befragungswelle (25.-31.01.2021) nahmen 384 Personen teil.
  • Die Umfrage ging aus dem Projekt „Digitalisierung, Automatisierung und die Zukunft der Arbeit in postindustriellen Wohlfahrtsstaaten“ am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ hervor.
  • Die Ergebnisse zweier früherer Befragungswellen finden sich ebenfalls in Form von Factsheets.